Besuch am 179 Tag des Erbebengebiets in Hatay

Am Adana Flughafen erhielt Seydan Eslikizli aus Crailsheim ein ein herzliches Willkommen uns. Seydan hat die Zusammenarbeit mit dem Lions Club in Crailsheim ermöglicht und eine großzügige Geldspende organisiert, die den Erdbebenopfern zugutekommen soll. Nach einem gemeinsamen Abendessen ließen wir den Tag ausklingen und besprachen den Plan für die kommenden Tage.

Wir starteten den Tag mit einem typisch türkischen Kahvalti im Restaurant Okyanos in Konacik und genossen den wunderschönen Ausblick. Inmitten dieser Schönheit vergisst man schnell, dass man sich in einem Erdbebengebiet befindet.

Danach ging es auf nach Samandag. Die Fahrt führte uns entlang der Küste auf einer Strecke, die nur teilweise eine richtige Straße ist. Die Cevlik-Route ist die längste Fahrradstrecke Europas, die sich zwischen den Bergen und dem türkisblauen Meer erstreckt. Hier sahen wir die ersten Spuren des Erdbebens: Noch immer gibt es kleinere Beben in der Region. Dadurch werden immer wieder kleinere Steinlawinen in Gang gesetzt, die am Straßenrand herumliegen.

In Samandag besuchten wir die dreiköpfige Familie von Zeynep. Seit dem Erdbeben lebt die Familie in einer Zwei-Zimmer-Wohnung, die nicht einmal 50 Quadratmeter groß ist. Ein richtiges Badezimmer gibt es nicht und die Küchenzeile befindet sich im Wohnzimmer. Das ehemalige Haus der Familie wurde zerstört und sie erhalten keine staatliche Hilfe. Die aktuelle Monatsmiete beträgt 10.000 türkische Lira (336,67 Euro Stand 06.08.2023). Der durchschnittliche Monatslohn in der Türkei beträgt in etwa 11.000 türkische Lira.

Wir gingen mit der achtjährigen Zeynep auf den Markt, damit sie sich etwas aussuchen konnte, zum Beispiel Süßigkeiten oder Spielzeug. Doch Zeynep entschied sich bescheiden für einen Ball und eine Tüte Chips. Für ihre Eltern kauften wir Getränke, die insgesamt 200 türkische Lira kosteten. Zurück in der Wohnung lud uns die Familie auf einen Kaffee ein und bot uns Schokolade an.

Auf unseren Reisen trafen wir auf unzählige Straßenhunde, die unter den Umständen litten und teils ihr Zuhause und ihre Familien verloren haben. In unserem Auto haben wir stets einen Sack Futter dabei und verteilen es auf unserem Weg.

Wir besuchten Meral und ihre Familie in Samandag, die seit dem Erdbeben auf ihrem ehemaligen Zuhause ihr Zelt aufgebaut haben. Sie bleiben absichtlich dort und ziehen nicht in einen staatlichen Container um, damit sie ihre Rechte auf das Grundstück nicht verlieren. Auch hier wurden wir mit Gastfreundschaft empfangen. Unser Hund Toffi, ebenfalls ein Erdbebenopfer, wurde mit Reis gefüttert und wir wurden gebeten, uns zu setzen und Kaffee zu trinken. Für die „Umstände“ entschuldigten sie sich.

Diese „Umstände“ beinhalten das Schlafen in Zelten, die unglaublich heiß sind, und die Tatsache, dass es nicht genug Betten für alle gibt. Für die Körperhygiene müssen sie in das einsturzgefährdete Nachbarhaus gehen.

Für die Kinder verteilten wir neue Sommerschuhe. Ebenso benötigten die Eltern neue Schuhe und für die Kinder Schulmaterial und Rucksäcke. Ventilatoren für die Zelte waren ebenfalls dringend benötigt. Doch die Familien wollten niemandem etwas wegnehmen und baten uns, die Sachen den „Bedürftigeren“ zu geben.

Unser nächstes Ziel war ein Zeltlager im Zentrum der historischen Altstadt von Antakya. Je näher wir kamen, desto mehr zeigte sich das Ausmaß der Zerstörung. Ein Staubnebel, verursacht durch eingestürzte Häuser, hing über der Stadt. Erschreckenderweise wirkte die Stadt wie eine Geisterstadt. Diese einst multireligiöse Stadt, die Spuren des Christentums aus der Antike bewahrte, existierte praktisch nicht mehr. Die ältesten katholischen Kirchen, Synagogen und die Moscheen Habib-i Neccar liegen teilweise in Trümmern. Bisher wurden nur vier Prozent der eingestürzten Häuser beseitigt. Man fühlte sich wie in einem Kriegsgebiet.

Im Zeltlager im ehemaligen Orhan Park wurden wir herzlich vom Ortsvorsteher Ali empfangen, der seit dem Erdbeben Unterstützung leistet. Das Lager besteht aus 90 Zelten, in denen jeweils mindestens sieben Menschen leben. Hier leben 55% syrische Familien und 45% Aleviten und Sunniten. Die Situation ist katastrophal – nur wenig von den staatlichen Hilfen erreichen diesen Ort.

Die Hygiene ist ein großes Problem, es gibt zu wenige Sanitäreinrichtungen und keine Möglichkeit, Wäsche zu waschen. All dies sind Dinge, die für uns selbstverständlich sind, hier jedoch zum Luxus werden.

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